Interview mit Philippe Kahn

Tech Trends
Apr 19,2017

Interview mit Philippe Kahn

Vor zwanzig Jahren erfand Philippe Kahn das Kamera-Handy, heute ist es allgegenwärtig. Der Einfluss auf die Gesellschaft ist enorm: Jedermann ist irgendwie Reporter, Spitzel oder Beweise sammelnder Zeuge. Die Menge an Bild- und Filmmaterial ist seither regelrecht explodiert und Apps wie Instagram wurden dadurch erst möglich.

Kahn studierte an der ETH in Zürich und gründete 1982 die Firma Borland. Weitere unternehmerische Triumpfe folgten. Während er auf der Entbindungsstation auf die Geburt seiner Tochter wartete, schrieb er ein kleines Programm an seinem Laptop und mit etwas Elektronik konnte er seine Digitalkamera mit dem Mobiltelefon verbinden. Als Sophie dann geboren wurde, schickte er die Bilder an Freunde auf der ganzen Welt.

Als Sie Ihren Prototypen benutzten, um das erste Handy-Foto der Welt zu schiessen, hatten Sie da überhaupt schon eine Vorstellung davon, was für einen Impact dies haben würde ?
Ja, das habe ich eigentlich sofort realisiert, als ich die Reaktionen meiner Freunde, Familie und Geschäftskollegen sah, die das Bild unserer Tochter Sophie erhielten. «Wie hast du das gemacht?!» lauteten die Antworten der Empfänger. Die Leute sahen, dass das magisch war, selbst mit einer tiefen Auflösung. Ich sage immer: Bilder sind wie Kunst. Es geht nicht um die Detailtreue, sondern um die Emotionen, die sie vermitteln.


Wie entwickelte sich das Projekt weiter ?
Ich habe gezielt Industrieführer kontaktiert, um die Vision und die Technologie in einen kommerziellen Erfolg umzuwandeln. Wir haben das Projekt zusammengefasst in «Zielen, Schiessen, sofort Teilen». Bei Motorola, Kodak and Polaroid in den USA stiessen wir auf taube Ohren, also habe ich die Technologie-Lzenz in Japan an eine Firma erteilt, die ein Sharp-Telefon mit «Bild-Mail»-Servern entwickelte. Das war Ende 1999. J-Phone wurde eine der erfolgreichsten Firmen Japans. Der weltweite Durchbruch gelang dann im Jahr 2002.

Welche Trends werden uns als nächstes am meisten beeinflussen? Zum Beispiel Sharing Economy oder Internet of Things?
Sie sind alle wichtig. Allerdings lautet die wichtigste Entwicklung für mich IoP, Internet of People, welche ein Teil des Internet of Things ist. Aber Menschen kommen immer zuerst, Dinge sind sekundär.

Sie sind ein Serial Entrepreneur, ein Mehrfach-Unternehmer. Welches ist Ihre wichtigste Strategie, wenn Sie ein neues Unternehmen gründen?
Ich bin eher ein Zufalls-Enterpreneur. Zuallererst bin ich ein Serien-Erfinder. Ich träume von Erfindungen, technologischer Disruption und Innovation – und dann ist es eine natürliche Konsequenz, daraus ein Business zu schaffen. Ich bin nicht so der Marketing- und Verkaufs-Typ. Am Anfang stehen immer Erfindung und Innovation. Der Rest ist eine simple Konsequenz, sobald ein grossartiges Team gegründet wurde.

Wie erinnern Sie sich an Ihre Zeit in der Schweiz, abgesehen von Ihrem Studium an der ETH?
Ich liebte es. Die Herausforderung war, mir während des Studiums meinen Lebensunterhalt zu verdienen, zumal ich keinen Schweizer Pass besass. Aber es gelang mir, da eine grosse Nachfrage nach Leuten bestand, die Software entwickeln konnten – und darin bin ich gut. Zudem habe ich vielen Kindern in Zürich in Mathematik und Physik Nachhilfe gegeben. Und natürlich ist die ETH eine Institution, die ich verehre, da in ihren Hallen Einsteins Geist noch spürbar ist!

Dieser Artikel erschien im New Media Magazin AM|START #24.